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Vortrag von Dr. Carolin Fleischer-Heininger: „Behinderung als Gegenstand, theoretischer Zugang und Methode der literaturwissenschaftlichen Japanforschung: Eine Sichtung anhand exemplarischer Werklektüren“

3. Februar 2026 @ 12:15 - 13:45

Dr. Carolin Fleischer-Heininger (Deutsches Institut für Japanforschung,Tokyo)

Abstract

In Japan wie anderenorts sind körperliche, sensorische, seelische und intellektuelle Behinderungen immer schon Gegenstand der Literatur. In jüngerer Zeit rücken sie sowohl im öffentlichen Leben als auch in literarischen und (populär-)kulturellen Artefakten Japans vermehrt in den Fokus – nicht zuletzt durch aktivistisches Engagement, neue gesetzliche Regelungen, gesellschaftliche Debatten und internationale Großereignisse. Ebenso werden diese nun durch Literaturwissenschaft und -kritik wahrgenommen und thematisiert. Damit tragen diese einem Befund Rechnung, den David Bolt (2017) in Anlehnung an Jacques Derrida als eine Form der „hauntology“ beschreibt – insofern Behinderung weder geleugnet noch anerkannt wird.

In meinem Vortrag untersuche ich anhand exemplarischer Werklektüren von Ōe Kenzaburō, Gunji Nanae, Murata Sayaka, Ichikawa Saō und Imamura Keiko die Tragfähigkeit von Behinderung als Gegenstand, theoretischem Zugang und methodischer Perspektive der literaturwissenschaftlichen Japanforschung. Unter Einbezug der jeweiligen zeitgenössischen (literaturweltlichen) Kontexte und intersektionaler Verschränkungen entwerfe ich eine kurze Genealogie der Repräsentationen von Behinderungen in der modernen und zeitgenössischen japanischen Literatur.

So diskutiere ich etwa, inwiefern literarische Repräsentationen von Behinderung während der 1990er Jahre noch überwiegend von einer medizinisch-defizitorientierten Perspektive geprägt waren, die sich an den vornehmlich von Nichtbetroffenen formulierten Metanarrativen von Behinderung ausrichtete. Ich argumentiere, dass neuere literarische Werke Behinderung nicht nur darstellen oder narrativ funktionalisieren, sondern ihre soziokulturelle Gemachtheit analysieren und damit zu einer Neubestimmung von Behinderung beitragen. In meinem Vortrag möchte ich aufzeigen, wie sich Behinderung als kreatives Potenzial für die Literatur und ihre Analyse fruchtbar machen lässt und wie dadurch die zugrunde liegenden Mechanismen, Hierarchien und Normannahmen sichtbar werden.

Carolin Fleischer-Heininger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Japanforschung (DIJ) in Tokyo. Sie hat an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) ein Magisterstudium der Theaterwissenschaft sowie der Nebenfächer Neuere deutsche Literatur und Japanologie abgeschlossen und ebenda im Fach Japanologie zu literarischen, dramatischen und filmischen Konstruktionen eines Nachkriegsjapan bei Terayama Shūji promoviert. Sie forscht zu Literatur und Kultur in Japan seit der Nachkriegszeit. Ihr aktuelles Forschungsprojekt befasst sich mit Repräsentationen von Behinderung in der japanischen Gegenwartsliteratur. Publikationen: Terayama Shūji – Literat, Theatermacher, Filmregisseur: Zur Konstruktion seines Nachkriegsjapan im Zeichen globaler, nationaler und lokaler Verflechtungen (2025); „Schwarze Löcher im Gewebe der Sprachen“: Kulturelles Übersetzen in der japanischen Literatur (Hg. zus. mit Kevin Schumacher-Shoji, 2025). Seit 2024 Mitherausgeberin von Bunron – Zeitschrift für literaturwissenschaftliche Japanforschung.

Der Vortrag findet in Präsenz statt. Ort: Japan-Zentrum der LMU, Seminargebäude am Englischen Garten, Oettingenstr. 67, 80538 München, Raum 133.

Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich.

Details

Veranstaltungsort

  • https://www.lmu.de/raumfinder/#/building/bw7070/map?room=707001133_