„Es gibt für die Japanologie keinen fruchtbareren, keinen ihrem Gegenstand gemäßeren und darum keinen glücklicheren Mittelpunkt als diesen Gedanken des Volkes, den wir dem Kampf um nationalsozialistische Ausrichtung der Wissenschaft verdanken. Denn kaum irgendwo in der Welt findet sich eine menschliche Gemeinschaft, die in so vollendetem Sinn als Volk zu bezeichnen ist, wie in Japan.“ (Gundert 1936: 258)
Mit diesen Worten schwor 1936 Wilhelm Gundert (1880-1971) in seiner Antrittsvorlesung im Jahr 1936 als Professor für Japanologie an der Universität Hamburg seine Zuhörer:innen auf eine nationalsozialistische Zielrichtung der Japanologie ein. Angeführt von Bemerkungen Hitlers und federführend durch die Deutsch-Japanische Gesellschaft Berlin, setzte sich die Intensivierung der deutsch-japanischen Beziehungen ab 1934 in der linientreuen Besetzung japanologischer Professuren fort. In Berlin wurde Martin Ramming 1936 als Honorarprofessor eingesetzt und auch in München sollte eine Professur für Japanologie geschaffen werden (Bieber 2014: 484-485). Diese Professur wurde jedoch nie besetzt.
Im Rahmen des Seminars „Japanologie und Japanpublizistik im Nationalsozialismus“ im Sommersemester 2022 machten wir uns auf die Suche nach den Spuren der LMU-Japanologie während des Dritten Reiches, um der Geschichte unseres Faches selbstreflektierend Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck untersuchten wir einige Akten im Universitätsarchiv.
Besonders umfangreich ist die Akte zur „Einrichtung eines Ordinariats für Ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft ab 1936-1942“. Aus dieser Akte geht hervor, dass durch die Emeritierung von Prof. Albert Rehm, der den Lehrstuhl für klassische Philologie und Pädagogik innehatte, ein Lehrstuhl frei und in ein Ordinariat für ostasiatische Kultur- und Sprachwissenschaft umgewandelt werden sollte. Lebhafte Briefwechsel und andere Schriftstücke belegen, dass entscheidende Triebkräfte in der Debatte um die geeignete Besetzung des Lehrstuhls Karl Haushofer (1869-1946), Professor für Geopolitik an der LMU, sowie die Deutsch-Japanische Gesellschaft Berlin waren. Aber auch Wilhelm Gundert aus Hamburg wurde um Vorschläge für die Besetzung der Professur in München gebeten. Ein japanischer Pharmazeut hatte zudem 75.000 Yen gespendet, die für das Studium Japans in Deutschland verwendet werden sollten. Die Diskussion der Stellenbesetzung zog sich bis 1942. Zunächst wurde Hermann Bohner als Kandidat stark favorisiert. Diesem wurde im weiteren Verlauf jedoch nachgesagt, er habe nicht die notwendige „Vortragsgewandtheit“. Weitere Namen, die zur Besetzung der Professur genannt wurden, waren Martin Ramming (Professor in Berlin), Friedrich Trautz (Professor emeritus in Berlin), Dr. Walter Donat, Dr. Braun, Dr. Scheidel sowie Dr. Fuchs (siehe auch Bieber 2014: 848). Diese Personen hatten jedoch entweder bereits feste berufliche Positionen oder waren durch Auslandseinsätze verhindert.
In einem Brief an den Dekan der Philosophischen Fakultät vom 21. Januar 1942 schlug Haushofer schließlich zwei Möglichkeiten zum weiteren Verfahren vor. Die erste Möglichkeit wäre, dass man Dr. Martin Schwind, zurzeit in Berlin „von der Wehrmacht verwendet“ in „kommissarischer Verwendung oder als ausserordentlicher Professor bis zur Vollübernahme“ beschäftigen könne. Die zweite Möglichkeit bestünde in der „Einstellung eines hinlänglich deutschkundigen, historisch geschulten und als Sprachlehrer in beiden Richtungen hinlänglich erprobten Japaners, der einstweilen als Lektor aus der Stelle bezahlt werden könnte, bis seine Rückkehr nach Japan […] die Vollbesetzung der Stelle wieder frei macht“. Hier schlug Haushofer Dr. Seizo Kimase vor, der „sein Gepäck bereits für die Heimreise in Lissabon hatte und dann in letzter Stunde durch die Kriegsverhältnisse in München zurückgehalten wurde“ (UAM O-XV-4zg). So wurde Seizo Kimase von 1942 bis 1945 Lektor für japanische Sprache an der LMU. Über ihn berichten wir im zweiten Blogbeitrag in dieser Serie.
Wer war Karl Haushofer?
Karl Haushofer war ab 1921 Honorarprofessor und ab 1933 ordentlicher Professor für Geopolitik an der LMU München. Als Mitglied der Bayerischen Armee München wurde er 1908-1910 nach Japan abkommandiert. Seine Frau Martha war jüdischer Abstammung, die beiden Söhne galten somit als „Vierteljuden“. Nach 1933 wurden sie durch einen „Schutzbrief“ von Rudolf Heß, einem Vertrauten Hitlers und ehemaligen Studenten Haushofers, geschützt. Haushofers Denken und Wirken war dennoch von Nationalsozialismus und Antisemitismus geprägt. 1939 hielt er seine Abschiedsvorlesung und zog sich an den Ammersee zurück, von wo aus er die Besetzung der ostasiatischen Professur jedoch weiterhin vorantrieb. Nachdem Haushofer und seine Frau von ihrem Sohn Heinz erfuhren, dass ihr Sohn Albrecht 1945 von der Gestapo erschossen worden war, gingen sie im März 1946 in den Freitod (Koops 2017: 280-284).
— Anna Wiemann
Hier geht es zum zweiten Blogbeitrag.
Quellen
Bieber, Hans-Joachim (2014). SS und Samurai. Deutsch-japanische Kulturbeziehungen 1933-1945. München: Iudicium.
Gundert, Wilhelm (1936). „Die Bedeutung Japans und die Aufgabe der deutschen japanologischen Arbeit“. In: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 90(2), S. 247-264.
Koops, Tilman (2017): „Karl Haushofer“. In: Fahlbusch, Michael et al. (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Akteure, Netzwerke, Forschungsprogramme. Berlin/Boston: De Gruyter. S. 280-284.
Universitätsarchiv München, UAM O-XV-4zg, Ostasiatisches Seminar.
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