From May 14 to 16 the symposium “Liberal Democracies under Demographic Pressure: Insights from Germany and Japan” was held in Berlin and brought together scholars, youth activists, and politicians from Japan and Germany to discuss the influence of demographic change on liberal democracies such as Germany and Japan. It was co-organized by the Japanese German Center Berlin (JDZB) and the research team of the DFG-funded project “Demography and Democracy: How Population Aging Alters Democracy – The Case of Japan” at the Japan Center. We, the members of the research team, thank the Department of Asian Studies for their generous support in form of travel grants for our students to be able to join the symposium in Berlin. This blog post highlights the impressions by one of the students who received a stipend.
Student report on the symposium „Liberal Democracies under Demographic Pressure: Insights from Germany and Japan“ (1)
verfasst von Jane Khanizadeh
Am 14. Mai 2024 hielt Prof. Dr. Achim Goerres einen aufschlussreichen Vortrag mit dem Titel „The False Myth of Politics in Aging Democracies“ im Japanisch-Deutschen Zentrum Berlin (JDZB). Dieser Vortrag war Teil des Symposiums „Liberal Democracies under Demographic Pressure: Insights from Germany and Japan“, das vom 14. bis 16. Mai 2024 in Zusammenarbeit mit dem Japan-Zentrum der Ludwig-Maximilians Universität im Rahmen der Reihe „Die Zukunft der Demokratie“ stattfand.
Wer ist Achim Goerres?
Prof. Dr. Achim Goerres ist seit 2021 Inhaber der W3-Professur für Empirische Politikwissenschaft an der Universität Duisburg-Essen. Er ist ein renommierter Politikwissenschaftler, der sich auf die Bereiche politische Soziologie und vergleichende Politik spezialisiert hat. Mit zahlreichen Publikationen und Vorträgen weltweit hat er sich als eine führende Stimme in der Forschung über die Auswirkungen des Alterns der Bevölkerung auf politische Systeme etabliert. Seine analytischen Fähigkeiten und sein tiefes Verständnis für die Dynamiken in alternden Gesellschaften machen ihn zu einem herausragenden Experten auf diesem Gebiet.

Der Mythos und die Realität
Goerres zerlegte den weit verbreiteten Mythos, dass alternde Demokratien zwangsläufig in politische Stagnation und konservative Rückschritte verfallen. Dieser Mythos beruht auf der Annahme, dass ältere Wähler grundsätzlich konservativer sind und weniger geneigt, politische Veränderungen zu unterstützen. Goerres zeigte jedoch auf, dass diese Annahme zu stark vereinfacht und oft irreführend ist.
Reiche Demokratien werden alt
Im globalen Vergleich altern reiche Demokratien deutlich schneller als viele ärmere Nationalstaaten. Diese sogenannten „Silver Democracies“ stehen vor besonderen Herausforderungen und Dynamiken, die in anderen Teilen der Welt nicht im gleichen Ausmaß auftreten. Während die politischen Systeme in reichen, alternden Demokratien zunehmend durch ältere Bevölkerungsgruppen geprägt werden, bleiben viele arme Nationalstaaten von dieser spezifischen demografischen Entwicklung unberührt.
Wichtige Erkenntnisse
Achim Goerres präsentierte eine Reihe von empirischen Daten und Studien, die belegen, dass die politische Einstellung älterer Menschen keineswegs homogen ist. Vielmehr sind sie genauso vielfältig wie die jüngeren Generationen. Goerres identifizierte drei wesentliche Mythen:
- Wachsende politische Konservatismus mit dem Alter: Diese weit verbreitete Annahme greift zu kurz. Zwar gibt es ältere Menschen, die konservativer sind, jedoch gibt es ebenso viele, die offen für Veränderungen und neue politische Ideen sind. Entscheidender als das Alter ist oft die generationale Prägung durch historische und gesellschaftliche Ereignisse.
- Nur materielles Eigeninteresse motiviert ältere Wähler: Goerres zeigte auf, dass ältere Menschen keineswegs nur aus materiellen Interessen wählen. Werte, Ideale und das Wohl zukünftiger Generationen spielen ebenso eine Rolle.
- Politischer Konflikt zwischen Jung und Alt: Während es natürlich politische Spannungen zwischen verschiedenen Altersgruppen gibt, ist der Konflikt oft weniger dramatisch als angenommen. Statt eines simplen Gegensatzes zwischen Jung und Alt sind die politischen Präferenzen durch generationale Erfahrungen und historische Kontextualisierungen geprägt.

Der Einfluss des demografischen Wandels
Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrags war der demografische Wandel und seine Auswirkungen auf die politischen Systeme. Goerres argumentierte, dass alternde Gesellschaften nicht zwangsläufig zu einem Rückgang der politischen Innovation führen. Stattdessen können sie sogar neue Formen des politischen Engagements hervorbringen. So zeigte er Beispiele von Seniorenbewegungen und politischen Initiativen, die von älteren Bürgern angeführt werden und oft progressive Ziele verfolgen.
Goerres betonte auch, dass ältere Menschen keine isolierten Personen sind. Durch intergenerationalen Austausch in der Familie oder im Verein kommt es zu Umverteilungsfaktoren zwischen den Generationen. Diese Interaktionen beeinflussen die politischen Einstellungen und Verhaltensweisen aller Beteiligten und tragen zur Schaffung eines gemeinschaftlichen Verständnisses und gegenseitiger Unterstützung bei.
Der wahre Konflikt: Arm gegen Reich
Ein weiterer wichtiger Punkt in Goerres‘ Vortrag war die Erkenntnis, dass der Konflikt zwischen Jung und Alt oft überproportional in den Medien dargestellt wird. Wenn dieser Konflikt tatsächlich der Hauptkonflikt in alternden Demokratien wäre, dann wären Seniorenparteien wesentlich erfolgreicher. Tatsächlich spielt jedoch der Konflikt zwischen Arm und Reich eine wesentlich wichtigere Rolle. Medien haben erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung gesellschaftlicher Konflikte, und ihre übertriebene Fokussierung auf das Spannungsfeld zwischen den Generationen verschleiert oft die tiefer liegenden wirtschaftlichen Ungleichheiten, die politisch weitaus relevanter sind.
Probleme in der Forschung
Goerres ging auch auf Herausforderungen und Probleme in der Forschung ein. Eine der Schwierigkeiten besteht darin, welche politischen Maßnahmen als suboptimal gelten und wie Pfadabhängigkeit diese beeinflusst. Viele Umfragen in der Wissenschaft sind zu einfach gestaltet, indem sie Fragen eindimensional formulieren und die Rolle der Familie als Faktor zu wenig beachten. Die Komplexität der politischen Präferenzen und Verhaltensweisen älterer Menschen erfordert eine differenziertere Methodik und einen umfassenderen Ansatz, um valide Erkenntnisse zu gewinnen.
Perspektiven für die Zukunft
Zum Abschluss seines Vortrags skizzierte Goerres, wie Demokratien von einem besseren Verständnis der politischen Dynamiken in alternden Gesellschaften profitieren können. Er betonte die Notwendigkeit, politische Strategien zu entwickeln, die die Interessen aller Altersgruppen berücksichtigen und einen inklusiven Dialog fördern. Nur so kann sichergestellt werden, dass Demokratien robust und anpassungsfähig bleiben.
Fazit
Der Vortrag von Achim Goerres war eine erhellende Erfahrung, die viele gängige Annahmen in Frage stellte und neue Perspektiven aufzeigte. Es wurde deutlich, dass das Verständnis der politischen Verhaltensweisen in alternden Demokratien komplexer ist als oft angenommen. Mit einem differenzierten Blick und empirischen Daten können die Herausforderungen des demografischen Wandels besser gemeistert und positive Entwicklungen in den politischen Systemen gefördert werden.
Weitere Beiträge:
- Symposium on Liberal Democracies under Demographic Pressure: Insights from Germany and Japan
- Symposium „Liberal Democracies under Demographic Pressure“ – Political Participation of the Young Generation
- Symposium „Liberal Democracies under Demographic Pressure: Insights from Germany and Japan“ – Panel „Ways forward for super-aging democracies“