Im Rahmen unseres vom DAAD geförderten kooperativen Lehrforschungsprojektes mit der Waseda-Universität reiste eine Gruppe von drei Studierenden und drei Lehrenden des Japan-Zentrums Ende September 2022 für zehn Tage nach Tokyo. Der Titel des Forschungsprojekts lautete „Remembering the War – How Museums and Memorials Resonate with the Youth in Tokyo and Munich“. Auf der Suche nach Erinnerungsnarrativen an den Zweiten Weltkrieg besichtigten wir eine Reihe von Museen, von denen wir einige in dieser Blogreihe vorstellen möchten. Wir folgen dabei der Reihenfolge der Besichtigungen. Der dritte Bericht über das Noborito Laboratorium: Museum der Kaiserliche Japanischen Armee in Ikuta (Präfektur Kanagawa) ist von Isabel Paulus.
Das Noborito Laboratorium Museum der Kaiserlichen Japanischen Armee befindet sich auf dem Ikuta Campus der Meiji-Universität. Das Gebäude des Museums selbst wurde vor und während des Zweiten Weltkriegs von der Kaiserlichen Armee als Forschungseinrichtung genutzt. Ab den 50er Jahren wurde es in den Campus der Universität integriert. Seit 2010 dient es als Museum.
Die Ausstellung beginnt mit einem kurzen Film über die Geschichte des Laboratoriums sowie der Entstehung des Museums. Es gibt insgesamt fünf Ausstellungsräume, ich im Folgenden darstelle.
Der erste Raum erklärt die Geschichte des Laboratoriums, wozu es benutzt wurde und auch wie es sich entwickelt hat im Laufe des Krieges: Während des sino-japanischen Krieges 1937 wurde das Laboratorium als Testzentrum für das Militär gegründet. Es war nicht öffentlich zugänglich, sondern geheim, bewacht und strikt kontrolliert. Auf dem Gelände wurden zunächst nur Waffen entwickelt und produziert. Durch Karten und Grafiken wird ersichtlich, wie das bis 1945 genutzte Gelände immer größer und die Anzahl der dort arbeitenden Personen zunahm.
Der zweite Raum ist der Entwicklung der Ballonbombe gewidmet. Diese wurde durch ein Departement in Noborito gegen Ende des Krieges erfunden, angefertigt und kam dann 1944 und 1945 zum Einsatz. Es handelt sich dabei um eine Art kleinen Heißluftballon, der eine Bombe transportierte. Damit wollte man die Bomben mit Hilfe des Jetstream-Windes über den Pazifik bis in die USA transportieren. Gefertigt wurden die Ballonbomben aus zehn Lagen Washi-Papier, die per Hand vor allem von mobilisierten Schulmädchen mit Kleber aus der Konjakwurzel zusammengefügt wurden. An die Bombe angehängt wurden neben Gewichten aus Sand für die Höhenregulierung auch Messgeräte. Die Ballone wurden dann mit Wasserstoffgas gefüllt und flogen drei Tage lang über den Pazifik. Obwohl wenige der Bomben in den USA ankamen und explodierten, töteten die Bomben sechs zivile Opfer in Oregon. Es gab ebenfalls Pläne, auf diese Weise auch biologische Waffen einzusetzen, um beispielsweise Rinder in Amerika zu vergiften, aber aus Angst vor einem Gegenangriff entschied sich das japanische Militär dagegen.
Im zweiten Raum wurde die Erforschung und Entwicklung von biologischen Waffen, Giften, Spionageequipment in Noborito dargestellt. Diese Forschung sollte der japanischen Armee einen Kriegsvorteil verschaffen. Das heutige Museumsgebäude war früher ein Gebäude dieser Abteilung. Beispiele für Spionagegegenstände sind Tinte, die nur unter bestimmtem Licht sichtbar wird oder kleine Kameras, die man in Taschen oder auch in Feuerzeugen verstecken konnte. Auch an der Entwicklung leicht entzündbarer Materialien wurde geforscht sowie an Bomben, die erst nach einer Weile explodierten. Auch wurden Gifte für Tiere und zur Verseuchung von Feldern und Lebensmitteln entwickelt. Darüber hinaus wurden auch tödliche Gifte für die schnelle Ermordung von Menschen in Noborito entwickelt und auf inhumanste Weise an Gefangenen getestet.
Der dritte Ausstellungsraum beschäftigt sich mit der authentischen Nachahmung der chinesischen Währung, also der Herstellung von Falschgeld. Ziel war es, mit großen Mengen Falschgeld in China ökonomisches Chaos zu verbreiten und die Inflation zu fördern, aber auch um notwendige Vorräte aufzukaufen und den Krieg weiter zu finanzieren. Weil Geldfälschung auch damals schon ein gegen das internationale Gesetz war, wurde um das ohnehin schon geheime Gelände nochmal ein drei Meter hoher Zaun errichtet und dahinter wurde geheim an diesen Gelddrucken gearbeitet. Zum Kriegsende wurde neben anderen Beweisen und Dokumenten auch das gesamte Falschgeld verbrannt.
Der letzte Ausstellungsraum erklärt die Vorbereitungen auf den Krieg auf dem damaligen japanischen Festland (koreanische Halbinsel und Mandschurei) sowie den Umzug des Laboratoriums in die Präfektur Nagano in der letzten Kriegszeit. Hier ist eine Wasserfiltermaschine ausgestellt, die vom Militär genutzt werden sollte um eventuell kontaminiertes Wasser trinkbar zu machen. Es gab anscheinend auch Pläne der japanischen Armee selbst Gewässer zu vergiften, damit nur sie selbst Trinkwasser filtern konnten und die gegnerische Armee verdurstet. Dabei wurde nicht an die Zivilbevölkerung gedacht, die dann auch kein Trinkwasser mehr hätte.
Ebenfalls in dem Zimmer wird der Prozess bis zur Errichtung des Museums beschrieben. In den 80er Jahren gab es sogenannte „Friedensseminare“, in welchen vor allem High-School Schüler begannen, über das Noborito Laboratorium zu forschen und ehemalige Arbeiter interviewten. Viele Arbeiter haben davor nicht über ihre Erfahrungen gesprochen. Durch Drängen aus der Bevölkerung und dem Wunsch der Arbeiter, dass ihre Berichte helfen, in der Zukunft den Frieden zu bewahren, hat die Meiji-Universität das Museum in dem letzten bestehenden Gebäude des ehemaligen Laboratoriums das Museum eröffnet. Das Museum wird bis heute von der Universität geleitet und finanziert.
Eigene Eindrücke
Obwohl es recht wenig Ausstellungsstücke gab und sie Ausstellung vor allem aus Infotafeln besteht, ist es eindrucksvoll, in dem Gebäude von damals zu sein. Vor allem die Dunkelkammer, die zum Entwickeln von Fotos und Experimenten genutzt wurde, war ziemlich gruselig. Aber auch Lichter, Waschbecken, Rohre etc. sind noch original; die Infotafeln sind ebenfalls nicht an die tatsächlichen Wände angebracht, sondern an einer Art Gerüst davor.
Inhaltlich werden Krieg und grausame Experimente nicht verharmlost, sondern als inhuman bezeichnet. Trotzdem sind die Informationen und Abläufe detailliert und sachlich erklärt. Und obwohl es sehr viele unterschiedliche Gebiete waren, waren sie in der Ausstellung gut in die Geschichte des Laboratoriums und in den historischen Kontext des Krieges eingebettet. Auch dass der Prozess der Entstehung des Museums und der Aufarbeitung integriert ist, war interessant.
Dank der Führung durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin, war es möglich nach und während der Führung Fragen zu stellen. Dies war in anderen Museen, die wir besuchten, nicht möglich. Hier wurde sich die Zeit genommen uns wirklich genau zu erklären, was ausgestellt war.
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Weitere Artikel in dieser Blogserie:
Paul Kramer: Die Ichigaya-Gedenkstätte
5 thoughts on “Bericht zur Forschungsreise nach Tokyo: Das Noborito Laboratorium”
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